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Zitat
Wilhelm Busch

Geocaching

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Samstag, 4. Juli 2015

La Gomera Tag 9 auf dem Wanderweg PR LG 18 Lost Place

Wenn ich den heutigen Tag so vor meinem geistigen Auge vorbeiziehen lasse, bin ich mir nicht sicher ob ich ihn positiv oder negativ bewerten sollte. Mit etwas Abstand gesehen war unsere heutige Tour schon schön aber irgendwie auch ohne Sinn bzw. haben wir unsere Ziele nicht erreicht. Aber eigentlich auch schon.

Machen wir einen kleinen Exkurs in kanarischer Geschichte um unsere Motivation, zur Mittagszeit durch eine staubtrockene Gegend zu Wandern, zu erklären.

Auf den Kanaren wurde im 15. Jahundert im großen Stil Zuckerrohr angebaut. Für die Anbauflächen wurden alle Wälder abgeholzt und da Ökonomen nie ökologisch denken, fiel Ihnen zu spät auf, dass durch diese Aktion die natürliche Möglichkeit Wasser zu speichern im Eimer ist. In den Bäumen verfängt sich normalerweise Nebel, kondensiert und wird im Gestein der Insel gespeichert.

Ohne Süßwasser auch kein Zuckerrohr. Dann dachte man sich, wir bauen halt Wein an, aber auch das ging Mitte des 19. Jahunderts in die Binsen. Die Mehltauseuche wurde eingeschleppt und machte den Wein kapput. Nächster Plan: Kaktusse anpflanzen, Blattläuse darauf züchten und die zermahlen als Farbstoff für Lebensmittel verhökern. Wer übrigens in seinen Lebensmitteln die Bezeichnung E 120 findet isst trächtige zermahlene Blattläuse. Aber rote Farbe kann man auch künstlich herstellen und so ging auch dieses Geschäftsmodell den Barranco herunter. Als dann noch eine Persönlichkeit wie Franco an die Macht kam und das Land noch mehr an die Wand gefahren hat, flüchteten 10.000 Gomeros von ihrer Insel in andere Länder.

Dadurch wurden ganze Landstriche entvölkert und die ehemals bewohnten Gebäude blieben zurück. Und der Grund für unsere aberwitzige Wanderung ist, dass wir auf den Spuren einer solchen Siedlung sind. Wir wollen die verlassenen Häuser finden und begutachten. In Fachkreisen nennt man solche Orte auch Lost Place. Aufmerksam wurden wir auf diese Aktion durch einen Geocache in der Siedlung.

Die Anfahrt vom Hotel zum Einstieg der Tour war recht kurz und als wir am Einstieg vorbeifuhren, parkte dort schon ein Auto, für mehr war kein Platz. Der Einstieg lag direkt an einer Hauptstraße.

Wir sahen aber auch eine kleine Zufahrt, die eher etwas mit einer Uferböschung gemein hatte als mit einer Straße. Kurzerhand beschlossen wir, den Mietwagen auf geländetauglichkeit zu testen und fuhren im ersten Gang den steilen Schotterweg hoch. Der Wagen schaukelte wie ein Schiff in starker Brandung aber wir erreichten einen kleinen Parkplatz und stellten das Auto ab. Hier fanden wir auch gleich einen schönen Zugang zum Wanderweg. Gut gepflastert und ausgeschildert mit einem Schönheitsfehler, nach fünf Metern hörte der Weg auf und verlief augenscheinlich im Nichts.

 

Ich erkundete ein wenig die Umgebung und tatsächlich ging der Weg weiter, nur nicht so komfortabel. (Auf dem Bild rechts vom Berg)

Also gingen wir los auf dem Weg zu den verlassenen Häusern. Und es war heiß, sehr heiß, doch wir wollten diesen Ort finden und sehen. Ich habe mal in einem Bild ganz grob visualisiert wo es lang ging.

Die ersten hundert Meter lassen sich sehr gut gehen, es geht immer bergab auf Steinen.

Doch die Hitze macht aus einem bisher einfachen Weg einen Tripp durch die Hölle.

Je weiter wir absteigen desto anspruchsvoller wir auch das Gelände. Wir sind menschenseelen allein, niemand außer uns und einer Ziege ist auf diesem Weg. Die Ziege sehen wir lange Zeit nicht, hören aber ihre Glocke und Klagelaute, ihr ist wahrscheinlich auch tierisch heiß.

Doch plötzlich hören wir Stimmen und dann tauchte die holländische Fußballnationalmannschaft beim Höhentraining vor uns auf. Wir müssen einen Hitzekoller haben. Warum tragen Fußballspieler Bauhelme und einer hat sogar eine Kühlbox unter dem Arm. Die vermeintlichen Holländer sind ein Bautrupp, der hier unterwegs ist, bestimmt 15 Mann und alle im orangen T-Shirt. Warum sie das tun, vor allem weil sie kein Werkzeug oder ähnliches dabei haben, bleibt uns schleierhaft. Aber jeder Einzelne aus dem Trupp grüßt uns. Und beide Seiten sehen in was für einer scheiß Lage wir doch sind, es ist heiß, es ist steil, die Blicke beider Seiten sagen mehr als tausend Worte.

 

 

Weiter geht es Meter für Meter, Stein für Stein. Immer wieder nuckeln wir an unseren Trinkschläuchen. So können wir beim Laufen Wasser aus unseren Wasserflaschen im Rucksack trinken. Doch das Wasser hat sich mittlerweile wie wir total aufgeheizt. Es erfrischt nicht, es schmeckt nur scheiße. Doch wir sind sehr diszipliniert was das Trinken angeht. Immer wider kleine Schlucke, nicht viel auf einmal, das würden wir sofort wieder ausschwitzen. Nur so können wir in extremer Hitze mitten im Berg unsere Körper leistungsfähig halten. Wasser ist Leben und eine Dehydrierung kann in dieser Umgebung schnell böse Folgen haben. Man wird unkonzentriert, und ein Fehltritt hat in dieser Situation leider zur Folge das man ironischerweise in einem Bachbett endet, das ist dann auch noch trocken aber auch 200 Meter weiter unten.

 

Die Wege haben hier nun einmal kein Geländer, links Fels, rechts freier Fall. Bei diesem Foto stehe ich mit dem Rücken an der Felswand, der Weg ist ca. einen Meter breit.

Unterwegs haben wir schon Überreste der alten Siedlung entdecken könne.

 

 
 

Doch als wir das eigentliche Ziel erreichen sind wir ein wenig enttäuscht. Zu den eigentlichen Häuser können wir nicht vordringen, wieder versperren uns Kakteen den Weg, wie eine undurchdringliche Stacheldrahtwand. Ich versuche noch an einer Felswand mein Glück aber unterlasse das. Wir haben ja schon einschlägige Erfahrungen mit dem Erklettern von Dingen. Hoch geht immer, zurück ist eine Katastrophe.

 

 

Und den Geocache fanden wir auch nicht, wir sind enttäuscht, körperlich angeschlagen und sauer.

Aber alles bemitleiden hilft nicht, wir müssen wieder zurück. Steile Passagen kosten uns Zeit und Kraft.

Habe ich schon erwähnt das es heiß ist. Jeder von uns hat ab Start übrigens drei Liter Wasser im Rucksack. Wer unter solchen Bedingungen wandert sollte das berücksichtigen.

Wir schleppen uns von Stein zu Stein, die Kräfte schwinden. Meine Sonnenbrille schließt mit meinen Wangenknochen ab und wenn ich die Brille kurz anhebe kullern mir dicke Schweißtropfen über die Wange, die sich unter der Brille gesammelt haben.

Ab jetzt haben wir einen Punkt erreicht wo jeder für sich wandert. Damit meine ich nicht das jemand zurückgelassen wird sondern das Kopfkino, das jeder für sich bewältigen muss. Ich weiss was in Vic's Kopf vorgeht, sie denkt das Selbe wie ich. Einen Fuß vor dem Anderen, nicht denken, gehen. Keiner kann dem Anderen in so einer Lage helfen oder gar motivieren. Jetzt heißt es Machen, und das muss jeder für sich machen.

Das klingt jetzt ein wenig abgedreht, aber so funktioniert das hier draußen und wir haben genug Erfahrung mit solchen Situationen. Abgesehen davon sind wir nicht in Gefahr, es ist nur tödlich anstrengend.

Unterwegs habe ich mir noch einen Insektenstich aufgekratz und der blutet seit geraumer Zeit, auch nach einer Stunde ist das Blut nicht geronnen, weil immer wieder Schweiß das Blut verdünnt.

Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichen wir wieder unseren Mietwagen namens Polly und sind überglücklich. Wir sind stolz auf unsere Leistung, stolz, durchgehalten zu haben. Ein Stück zufrieden und ein wenig verunsichert ob wir noch bei gesunden Menschenverstand sind.

Und da möchte ich die Frage am Anfang dieses Berichtes noch mal aufgreifen, ist dieser Tag positiv oder negativ verlaufen. Wir haben unser Ziel, die Häuser zu erkunden, nicht erreicht, auch den Geocache haben wir nicht gefundenen. Aber wir haben für uns eine gute Leistung abgeliefert, wir haben zusammen wie ein Uhrwerk funktioniert. Wir wanderten mit unseren Gedanken allein aber waren es nie. Und so komme ich zum Entschluss: ja das war ein verdammt guter Tag.

An diesem Punkt möchte ich noch Abraham Lincoln zitieren:"ich gehe langsam, aber ich gehe nie zurück"

Erschöpft aber glücklich mache ich am Ausgangspunkt noch ein Foto und entdecke einen totenkopf in der Felsformation, entweder die Sonne hat mein Hirn zerbruzzelt oder was weiß ich, aber seht selbst.

Unsere Füße schmerzen, unsere Schultern sind verspannt aber wir sind zufrieden. Morgen geht es auf einen Roadtripp.

Gute Nacht liebes Tagebuch

 

 

 

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